Gutenberg in Straßburg
Gutenberg war 1434 bis 1444 in Straßburg und wohnte dort vor den Toren der Stadt in St. Arbogast.
Die rheinaufwärts gelegene Freie Reichsstadt Straßburg war mit 25.000 Einwohnern wesentlich größer als Mainz. Zudem war sie eine bedeutende Handelsstadt. Der Stadtteil St. Arbogast, in dem Johannes Gutenberg wohnte, war nach dem gleichnamigen Benediktinerkloster dort benannt.
Am 14. März 1434 ließ Gutenberg den Mainzer Stadtschreiber Nikolaus Wörstadt in Schuldhaft nehmen.
Die Urkunde über diesen Vorgang ist der erste Beleg für den Aufenthalt von Johannes Gutenberg in Straßburg. Für die Inhaftierung hatte er übrigens einen guten Grund: Mainz weigerte sich offenbar, Gutenberg einen ausstehenden Betrag seiner Leibrente in Höhe von 310 Gulden zu zahlen. Der Straßburger Rat bat ihn aber, Wörstadt wieder freizulassen und nachdem der Stadtschreiber die Zahlung des Geldes versprochen hatte, durfte er gehen. So eine Aktion war zu Gutenbergs Zeit nicht ungewöhnlich. Auch hatte er damit tatsächlich Erfolg, denn ab 1436 zahlte die Stadt Mainz ihre Schulden bei ihm.
Laut einer Urkunde vom 30. Mai 1434 übertrug Gutenbergs Bruder Friele ihm seine Leibrente.
Die Leibrente von Friele Gensfleisch betrug ursprünglich 14 Gulden. Als sie auf Johannes Gutenberg übertragen wurde, kürzte man sie auf 12 Gulden, da er als der jüngere Bruder eine längere Lebenserwartung hatte. Friele heiratete derweil die Patriziertochter Else Hirtz und zog mit ihr 1434 nach Eltville. Er lebte dort bis zu seinem Tode 1447.
1436 verklagte die Patrizierin Ennelin von der Iserin Thüre Gutenberg wegen eines angeblich nicht eingelösten Eheversprechens.
Dieser Prozess ist der einzige erhaltene Hinweis auf das Liebesleben von Johannes Gutenberg. Während seines Verlaufs wurde er zudem von einem der Zeugen wegen Beleidigung verklagt und verurteilt. Die ganze Angelegenheit ist allerdings nur in einer Abschrift dokumentiert und auch der Ausgang des Verfahrens ist nicht bekannt. Viel spricht jedenfalls dafür, dass Gutenberg nie verheiratet war.
Gemeinsam mit dem Vogt Hans Riffe von Lichtenau arbeitete Gutenberg seit 1438 an der seriellen Produktion von Wallfahrtsspiegeln.
Eine Wallfahrt ist eine religiös motivierte Fahrt oder Wanderung zu einem heiligen Ort. Mit Wallfahrtsspiegeln sollten die Gläubigen auf einer solchen Wallfahrt den Segen der Reliquien einfangen und mit sich tragen können. Sie waren ein beliebtes Andenken und wurden aus einer Blei-Zinn-Legierung in großen Mengen produziert. Johannes Gutenberg und Hans Riffe von Lichtenau planten die Produktion von Wallfahrtsspiegeln für die nächste Heiltumsfahrt nach Aachen. Die Stadt Aachen besaß in ihrem Dom, dem Krönungsort der deutschen Könige, viele Heiligtümer. Im Jahr 1349 wurden diese Aachener Heiligtümer erstmals öffentlich gezeigt und damit die Tradition der Heiltumsfahrt dorthin begründet. Gutenberg und Riffe vertaten sich allerdings im Datum. Die nächste Wallfahrt, die alle sieben Jahre stattfand, stand nicht wie von ihnen angenommen 1439, sondern erst 1440 an.
Gutenberg gründete u. a. zusammen Andreas Heilmann und Andreas Dritzehn ein Konsortium.
Dieses Konsortium (Unternehmenszusammenschluss) gründete Johannes Gutenberg im Zusammenhang mit seiner Initiative zur seriellen Produktion von Wallfahrtsspiegeln, wie im letzten Teil erläutert. Damit suchte er sich in Straßburg weitere Partner zur Finanzierung eines nicht näher spezifizierten neuen technischen Verfahrens.
Seit 1437 ging der Straßburger Andreas Dritzehn bei Gutenberg in die Lehre, um „das Polieren von Edelsteinen“ zu lernen.
Mit dem „Polieren von Edelsteinen“ ist das Münz- oder Goldschmiedehandwerk gemeint. Nachdem Andreas Dritzehn 1439 gestorben war, verklagten seine Brüder, Claus und Jerge, Johannes Gutenberg. Sie forderten von ihm, das von Dritzehn in das gemeinsame Unternehmen eingezahlte Kapital wieder zurückzuzahlen oder sie als Teilhaber aufzunehmen. Von dem gesamten Prozess haben sich die Akten mit Zeugenaussagen und das Urteil in einer Abschrift erhalten.
Gutenberg schloss mit Heilmann, Riffe und Dritzehn noch einen zweiten Vertrag, um sie in „alle sin künste vnd afentur“ einzuführen.
Die bekannte Wendung „künste vnd afentur“ wurde auch in anderen zeitgenössischen Quellen für Handwerk und Handel verwendet. Die Erfindung neuer technischer Vorgänge geheim zu halten, war durchaus üblich und es ist tatsächlich nicht mehr nachvollziehbar, worum es bei dem Vertrag zwischen Johannes Gutenberg, Andreas Heilmann, Hans Riffe und Andreas Dritzehn genau ging. Es gibt Hinweise auf eine hölzerne Presse, die der Drechsler Conrad Saspach gebaut hatte, und auf die Nutzung von Blei und „Formen“. Außerdem berichtete der Goldschmied Hans Dünne, dass er über 100 Gulden dafür erhalten habe, alles „daß zu dem trucken gehöret“ anzufertigen. Hatte Johannes hier schon den Buchdruck erfunden? Hatte er vielleicht sogar schon ein erstes Buch gedruckt? Diese Fragen lassen sich nicht endgültig beantworten. Wir haben aber keinerlei Hinweise darauf und wir können davon ausgehen, dass er Gutenberg sich in Straßburg erst in der Experimentierphase seiner späteren Erfindung befand.
Gutenberg wird 1444 in einer Steuerliste als waffenfähiger Bewohner Straßburgs und „Zugeselle“ der Goldschmiedezunft genannt.
Diese Steuerliste ist die letzte Nachricht über unseren Erfinder in Straßburg. Die Bezeichnung als „Zugeselle“ ist nicht gleichbedeutend mit einem ordentlichen Mitglied der Goldschmiedezunft. Anders als oft behauptet war Johannes Gutenberg als Patrizier kein Goldschmied. In der Steuerliste wird ebenfalls angegeben, dass er ein Vermögen von über 400 Pfund Straßburger Denare besaß. Deswegen musste er zur Hälfte die Unterhaltskosten eines Pferdes für den Einsatz im Armagnaken-Krieg bezahlen.
Die Armagnaken waren bewaffnete Söldner. Sie waren nach dem Grafen von Armagnac benannt, in dessen Dienst sie ursprünglich standen. In Frankreich hatten sie das traditionelle Ritterheer abgelöst und vertrieben im französischen Krieg die Engländer aus dem Land. Die Engländer waren an der Seite des Herzogs von Burgund in Frankreich eingedrungen. Nachdem man im Jahr 1435 einen Ausgleich mit Burgund ausgehandelt hatte, gab es für die Armagnaken keine Verwendung mehr. Sie zogen in der Folge häufig plündernd und raubend durch die Gegend. Im Jahr 1444 fielen sie dann in das Oberrheingebiet ein.